Georg Paulmichl

Sehr geehrte Brigitte!

Ich danke für die schöne Blumenbrachtkarte. Ich freue mich, daß du nicht in der Vergessenheit schwankst. Ein Jahr vergeht und die Schatten des Alters haben bei mir das Ruder übernommen. 38 Jahre habe ich nun hingebracht. Ich wünsche mir selbst beste Geburtstagswünsche. Das Wetter hat bei uns Scheiße gebaut. Das Flockengewirbel hält noch immer der Landschaft den Atem an. Diese Gegend in Prad taugt gar nichts. Der Winter hört auf nimmer. Die Blumen haben keine Kraft und verkrichen sich wieder in den Erdlöchern. Die Blumen sind verkrampft und trauen sich nicht aus dem Erdschuttwall. Ich wünsche daß dich die Gesundheit nicht überschattet und daß die Grippe dich nicht übertölpelt. Um Ostern habe ich die Auferstehung feierlich gesungen. Jesus ist auferstanden von allem Übel und allen Untaten. Das mit der Auferstehung ist nur Liturgiequatsch. Ich bin kein Kindskopf mehr, aber Kirchen gehe ich trotzdem. Der Pfarrer in Prad ist zu langsam, er kommt nicht mehr weg von der Altersschwelle. Manchmal hat der Pfarrer in der Kirche eine Schimpfwut. Allah ist der Gott der arabischen Emirate. Dort wüten die zornigen, finsteren, alten Männer, die höllischen Himmelsscharen. In Prad hat die Zirkuskaravane Aufstellung bezogen. Elefanten, Zotteltiere, Schlangen und Feuerschlucker bieten dem Publikum einen Unterhaltungswert. Seiltänzer suchen auf dem Seil die Standkraft. Der Mensch braucht den Zirkus. Ich brauche auch ein bischen Zirkus. Aber in den Zirkus gehe ich nicht, weil ich den Kinderschuhen ade gesagt habe. Zirkus ist nur etwas für Kleinkinder, sagt der Vater.

Einen herzlichen Abschiedsgruß
von
Paulmichl Georg

Georg Paulmichl
Georg Paulmichl, Bilder und Texte, HTL Galerie Innsbruck

Weitere Veröffentlichungen:
2013, Georg Paulmichl Online Archiv