I. Begegnung
“Sonst bin ich ein gemütlicher Erdenbewohner. Ich genieße die Jahreszeiten. den Künstlerberuf, den Kirchgang, den Wetterbericht, den Spaziergang. den Rentenbetrag, die Altersvorrückung, den Freiraum, den Fernsehabend, den Sonnenaufgang und den Untergang. Die Politik genieße ich nicht.” Wie die Nachricht kam, es sei ein neues Buch von Georg Paulmichl erschienen (“Vom Augenmaß überwältigt – Briefe, Glossen und Bilder”, Innsbruck, Haymon-Verlag 2001), nahm ich dieses Ereignis zum Anlass, den Südtiroler Lesern, und insbesondere den Lesern der Zeitschrift der Lebenshilfe, wieder mal in Erinnerung zu bringen, dass es diesen Dichter gibt, dass er hoch oben im Vinschgau (…)
2. Biografie
Seit der Geburt geistig behindert. Mit fünf Jahren Kindergartenbesuch im Heimatort Prad. Vom 7. bis 14. Lebensjahr Sonderschule in Jupident Vorarlberg. Weiterer Schulbesuch bis zum 17. Lebensjahr in Mals. Ab 1977 Besuch der Behindertenwerkstatt: Er beschäftigt sich mit Bastelarbeiten und arbeitet am Webstuhl. Hat aber wenig Freude. Besser gefällt ihm das gelegentliche Theaterspielen in der Werkstatt. Im Heimatort wird er (…)
3. Der Betreuer Dietmar Raffeiner
Die Ballade von Brecht “Legende von der Entstehung des Buches Taoteking” erzählt davon, wie der Weise Laotse von einem Zöllner an der Grenze veranlasst wurde, seine Erkenntnisse nieder zu schreiben. Dass das Buch entstand,ist also auch ein Verdienst des Zöllners: “Rühmen wir nicht nur den Weisen … denn man muss dem Weisen seine Wahrheit erst entreißen. Darum sei der Zöllner auch bedankt. Er hat sie ihm abverlangt.” Abverlangt hat auch der Behindertenbetreuer Dietmar Raffeiner Georg Paulmichl sein Werk. Wie das zuging, beschreibt er (…)
4. “Gehindert”
Obwohl er zu den, wie Dietmar Raffeiner sagt, gehinderten Menschen zählt, hat Georg Paulmichl einen durchaus wachen Blick für die Welt”, heißt es im Klappentext zu “Ins Leben gestemmt”, der zweiten Publikation im Haymon-Verlag . Mir gefällt dieses Obwohl nicht. Fast möchte ich es durch ein Weil ersetzen. Ist doch diese Dichtung der beste Beweis dafür, dass Kunst und Behinderung einander nicht im Wege sind, sondern dass die Behinderung, die ein Da-Sein besonderer Art bedingt, der Begabung (und die ist bei ihm in ungewöhnlichem (…)
5. “…weil ich zur Künstlerrasse gehöre”
“Ich bin ein einmaliges Ereignis für die deutsche Bildungslandschaft. Schon seit Jahren übe ich mich in der Pinselfühning und in Wortsprüchen. Ich bin ein Lesevergnügen im höchsten Grade.” Paulmichl ist Wortkünstler und Maler. Wenden wir uns der ersten Fähigkeit zu, die dem Publikum, was keine Übertreibung ist, “ein Lesevergnügen im höchsten Grade” bereitet. Dieser Dichter hat ein ganz eigenes Verhältnis zur Sprache. Woher stammt diese Vertrautheit (…)
6. Sei gegrüßt, Georg Paulmichl
Und sei bedankt. In deinem letzten Buch sind Briefe enthalten, an deinen Verleger, an Freunde, an Fans. Nachdem ich bisher über dich geschrieben habe, möchte ich nun am Schluss zu dir sprechen, wie du es eben in diesem Buch tust. Sei bedankt. Wir haben dir für vieles zu danken. Vor allem für den großen Spaß, den du uns mit deinen Texten bereitest. Und dann für den Mut, mit dem du peinliche Dinge, die jeder andere hinter der Maske der Wohlanständigkeit verbirgt, aufzeigst. Deine Texte haben einen philosophischen Atem, du siehst und (…)
Elisabeth Höglinger
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